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Mißverständnisse und Fehler, über das spekulative Denken

Ich wandere gerne auf einer Grenze, entlang mir unbekannter Territorien, ich genieße es, mich in verschiedenen Welten, Kulturen, Lebensstilen zu bewegen. Auf diesen Wanderungen begegne ich Widersprüchen, Phänomene mischen und überlagern sich oder krachen unvermittelt gegeneinander, Eisschollen gleich, die knirschend auf einem Strom treiben. Mein ausbalanciertes, sorgfältig abgestimmtes und aufeinander bezogenes Denksystem gerät ins Trudeln. Gewißheiten werden zu Fragen, Unwissenheit zu Produktivkraft, Mißverständnisse zu Potentialen. Dieser zeitweilige Kontrollverlust bietet mir die Chance, das Zusammendenken (in einem linearen System) für eine Weile aufzugeben, zugunsten einer sprunghaften, ungeordneten und assoziativen, nicht wertenden Wahrnehmung vermeintlich unvereinbarer Phänomene. Diese verwirrende Vielfalt setze ich in Relation zum Fundus meiner gesicherten Erkenntnisse und Erfahrungen. So entsteht ein Blick durch die aufgerissene Oberfläche meiner Kenntnisse und Gewißheiten, oder mit John Berger gesprochen, ein Blick auf „die Zwischenräume zwischen den verschiedenen Orten des Sichtbaren“. 

Was liegt jenseits der gesicherten Grenze meiner Fertigkeiten. Eröffnet der Fehler nicht auch die Möglichkeit, dieses mir bekannte, glatte und langweilige Territorium zu verlassen um mich neuen und überraschenden Eindrücken auszusetzen. Mich interessieren daher sich verändernde, schwer zu domestizierende Materialien, Verbundwerkstoffe, rauhe, faßbare Oberflächen, komplexe, interpretationsoffene und dennoch nicht beliebige, mißverständnistaugliche Systeme und die Möglichkeit des Scheiterns als immanente Chance und Herausforderung in diesem System. 

Es geht also um die Möglichkeit, daß ein System außer Kontrolle gerät und um die daraus erwachsene Chance. Die beweglichen Betonblöcke im Juweliergeschäft wären, würden sie an einem Ort zusammengefahren, durch die Decke gefallen. Nun hängen sie und erzeugen in viel stärkerem Maße den gesuchten, unwirklichen Effekt der schwebenden Massivität. Die virtuosen Handwerkskünste des Betonbauers werden durch Sandbeimischungen nach dem Zufallsprinzip überlistet, nun haben die Blöcke Drusen und Maserungen. Es entsteht spürbar das Gemachte, die chinesische Vase, die durch die kunstvolle Reparatur einer Bruchstelle erst ihre ultimative, herausragende Qualität im Vergleich zum perfekten, unversehrten Exemplar erhält. 

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Reinhard Angelis
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